Mein aquatisches Tagebuch: Der Lippfisch – ein auffälliger Farbtupfer

Auch in der Nordsee gibt es bunte Fische.

Farbenprächtige Fische erwartet man eigentlich eher in den tropischen Meeren. Aber auch in der Nordsee kann man einige Arten finden, die durch die Vielfalt und Intensität ihrer Farben beeindrucken. Zu ihnen zählen der Gefleckte Lippfisch Labrus bergylta und der Kuckuckslippfisch Labrus bimaculatus, die auch im Aquarium Helgoland zwischen Felsbrocken, in Betonröhren oder Höhlen zu beobachten waren.


Gefleckte Lippfisch Labrus bergylta
Foto: E. Hensel

Der Gefleckte Lippfisch „verdankte“ seine Existenz im Aquarium einem aufmerksamen und umsichtigen Fischer, dem das Tier vor einigen Jahren bei Helgoland ins Netz ging. Die auffällige, waben- bzw. netzartige Musterung, die den ganzen Fischkörper überzieht, sowie die intensiv grau-grünliche Färbung veranlasste den Fischer, den vermeintlichen Exoten nicht dem heimischen Kochtopf zuzuführen, sondern ihn umgehend dem Aquarium Helgoland zu übergeben. Dort wurde das Tier zunächst in einem Becken einquartiert, das es sich mit einem Hummer teilte. Nachdem der Hummer sich überraschend gehäutet hatte, nutze der Lippfisch diese Gelegenheit, die noch weiche Schere mit einem kräftigen Biss zu attackieren. Die auf diese Weise ramponierte Schere wurde vom Hummer schließlich abgeworfen, was für das Tier kein allzu tragisches Ereignis war, da es verlorene Extremitäten im Zuge weiterer Häutungen nachbilden kann. Dies geschah dann auch. Um aber einer weiteren Konfrontation vorzubeugen, wurde der Gefleckte Lippfisch in ein anderes Becken umgesetzt.

Seinen territorialen Anspruch machte er zur Laichzeit von April bis August auch in diesem Becken gegenüber seinen Mitbewohnern besonders deutlich geltend, bisweilen sogar unter Einsatz seiner großen, kegelförmigen Vorderzähne. Diese sind in einem ansonsten eher kleinen Maul mit dicken Lippen platziert, auf die sich auch sein Name bezieht. Die Tiere leben einzeln oder paarweise im Algenbewuchs von Fels- und Geröllböden in zwei bis dreißig Metern Tiefe. Häufig halten sie sich in der Nähe von Felsspalten auf, in die sie sich zum Schlafen oder bei Gefahr zurückziehen können.

Ein anderer Mitbewohner des Gefleckten Lippfischs, der Klippenbarsch Ctenolabrus rupestris, lässt sich auf den ersten Blick nicht sofort als Verwandter des Erstgenannten identifizieren, und auch sein Name ist eher irreführend. Er gehört aber ebenfalls zur Familie der Lippfische (Labridae). Sein äußeres Erscheinungsbild mit rötlichbrauner Färbung, einem langgestrecktem Körper und einem schwarzen Fleck am Schwanzstiel ist sehr einprägsam. Er versteckt sich häufig in Felsspalten, die er in den Sommermonaten deutlich öfter verlässt, sodass er dann leichter zu beobachten ist als im Winter.

Eine weitere Lippfischart des Helgoländer Aquariums war der Kuckuckslippfisch Labrus bimaculatus. Die Männchen dieser Art zeigen bei entsprechendem Lichteinfall ein faszinierendes bläuliches Schimmern. Die Weibchen und Jungtiere sind jedoch rötlich gefärbt. Eine Besonderheit dieser Art – wie auch des Gefleckten Lippfisches – ist ein Geschlechtswechsel (sukzessive Zwittrigkeit). Die Tiere sind zunächst weiblichen Geschlechts und entwickeln sich im Alter von sieben bis 13 bzw. vier bis 14 Jahren zu Männchen. Beim Kuckuckslippfisch verändert sich mit dem Geschlecht auch die Färbung.


Kuckuckslippfisch Labrus bimaculatus 
Foto: E. Hensel

Mit etwa 500 Arten bilden die Lippfische eine umfangreiche Familie der Fische. Sie sind insbesondere an Felsküsten, in Korallenriffen, an Hafenmolen und Schiffswracks in wärmeren Meeren zu finden, aber eben auch mit wenigen Arten in gemäßigten Breiten wie der Nordsee. Auch im Aquarium Helgoland bereicherten die farbenfrohen Lippfische die Becken ihrer Fischverwandten.

Autor: Dr. Emanuel Hensel

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