Mein aquatisches Tagebuch: Das Seepferdchen – Fisch, Pferd oder Fabelwesen? Ein faszinierendes Mysterium des Meeres

Das Seepferdchen erfreut sich seit jeher großer Beliebtheit. Und das nicht zuletzt, weil es sich von allen anderen Fischen grundlegend unterscheidet. Am auffälligsten ist dabei die äußere Erscheinung, die eher an ein Pferd als einen Fisch erinnert. In der griechischen Mythologie wurden die Tiere als Reit- oder Zugtiere verschiedener Meeresgötter dargestellt.

Trotz alledem kann die Frage, ob es sich bei diesem Lebewesen tatsächlich um einen Fisch handelt, eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden. Denn es besitzt Kiemen und Flossen. Die Schwanzflosse ist allerdings zu einem Greiforgan umgebildet, mit dem sich die Seepferdchen mit großer Vorliebe nicht nur an Algen und Seegräsern sondern auch aneinander festhalten. 

Seepferdchen (Hippocampus hippocampus) im Aquarienbecken des ehemaligen Aquariums Helgoland
Foto: E. Hensel  

Dieser Drang zu sozialem Miteinander ist bisweilen so groß, dass die zu einer Traube untereinander verbundenen Tiere diesen Kontakt auch bei der Fütterung nicht aufgeben. Da kann es dann geschehen, dass sie versuchen in verschiedenen Richtungen hinter einer Beute herzuschwimmen, wegen ihrer verknäuelten Greiforgane aber nicht von der Stelle kommen und Zusehen müssen, wie ihr Futter nach der gescheiterten Fressattacke zügig das Weite sucht. Und auch sonst sind die kurzschnäuzigen Seepferdchen Hippocampus hippocampus nicht gerade die schnellsten. Eher gemächlich begeben sie sich auf ihre Streifzüge durch das zylindrische Acrylglasbecken im Aquarium. Die meiste Zeit verbringen sie an eine Alge geklammert im Wasser schwebend, in senkrechter oder waagerechter Haltung.

Männchen und Weibchen lassen sich sehr einfach unterscheiden: Nur die Männchen besitzen einen Brutbeutel. Dieser befindet sich auf der Bauchvorderseite, wo eine deutliche Furche seine Öffnung markiert. In diesen Brutbeutel hinein legen die Weibchen mit einem Legearm ihre Eier, und hier werden die Eier dann auch befruchtet. Nach etwa drei Wochen entschlüpfen die Jungtiere dem männlichen Brutbeutel. Diese Art der Fortpflanzung ist im Reich der Fische einzigartig. 

Zu den Besonderheiten der Seepferdchen gehört auch, dass sie einen Knochenpanzer besitzen, der dem Seepferdchen-Körper seine Form gibt und diesen stabilisiert. Dabei weicht die Gestalt der Tiere soweit von der typischen Fischgestalt ab, dass sich viele Betrachter wie bereits beschrieben an ein Hufe tragendes Landsäugetier erinnert fühlten. 

Faszinierendes Meerestier: das Seepferdchen (Hippocampus hippocampus)
Foto: E. Hensel

Aber auch der spezielle Mechanismus der Nahrungsaufnahme des Seepferdchens ruft bisweilen erst Erstaunen und dann Entzücken über das damit verbundene akustische Ereignis hervor. Denn entgegen ihres sonst eher trägen Erscheinungsbildes, und wenn sie ihrer Beute nahe genug „auf den Fersen“ geblieben sind, saugen sie diese blitzartig durch einen mittels der Mundhöhle erzeugten Unterdruck ein. Dies führt zu einem Klick-Geräusch, das sogar außerhalb des Beckens zu hören ist. Das Futter – zumeist Schwebgarnelen oder Salinenkrebse – darf nicht zu groß sein, denn sonst bleibt es im eher schmalen Maul des Seepferdchens stecken. Besonders attraktiv ist lebendes Futter. 

Bewohner der Nordseeinsel Helgoland berichteten, dass früher viele Seepferdchen an den Strand gespült wurden. Die südöstliche Nordsee mit der Deutschen Bucht gehört eigentlich nicht zum typischen Verbreitungsgebiet der Seepferdchen. Es wäre aber durchaus denkbar, dass die Tiere im Zuge des Klimawandels vom Ärmelkanal aus auch in diesen Teil der Nordsee einwandern.

Autor: Dr. Emanuel Hensel
(ursprüngliche Autoren 06/2011: Prof. Dr. Heinz-Dieter Franke / Dr. Emanuel Hensel)

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